Heidenheimer zittern vor Post von der Heuschrecke

Veröffentlicht am 24.09.2008 in Presseecho

Heidenheimer zittern vor Post von der Heuschrecke

Heidenheimer zittern vor Post von der Heuschrecke

von Rüdiger Bäßler
Stuttgarter Zeitung vom 24. September 2008

Heidenheimer zittern vor Post von der Heuschrecke
2007 hat der Immobilienkonzern Gagfah kommunale Wohnungen gekauft, jetzt wird den Bewohnern drastisch die Miete erhöht

HEIDENHEIM. Im Jahr 2007 sind in Heidenheim 5000 ehemals kommunale Wohnungen an den Immobilienkonzern Gagfah verkauft worden. Die Mieter wurden mit einer Sozialcharta beruhigt. Doch jetzt kommen die ersten deftigen Mieterhöhungen.
Von Rüdiger Bäßier

Im März vergangenen Jahres war der Bürgerentscheid in Heidenheim, der den Gemeinderatsbeschluss zum Verkauf aller städtischen Anteile an der Grundstücks- und Baugesell¬schaft Heidenheim AG (GBH) rückgängig machen sollte, am Quorum gescheitert. Rund 12000 Mieter in 5000 Wohnungen, die sich stets der Obhut kommunaler Fürsorge sicher waren, bekamen den Immobilienkonzern Gagfah zum neuen Vermieter. Der Stadt, die über ihre Stadtwerkegesellschaft 28,6 Pro¬zent am Grundkapital der GBH gehalten hatte, brachte der Handel rund 40 Millionen Euro ein. Auch die Voith AG und zwei Kreissparkassen verkauften willig. Aufgebrachte Mieter wurden mit einer Sozialcharta beruhigt, die Bestandteil des Kaufvertrags war und zum Beispiel großzügig regelte, dass zum Verkauf bestimmte Wohnungen zu¬nächst den Bewohnern angeboten werden.

Wie sich nun zeigt, ist die Charta für die Heidenheimer Bewohner früherer Sozialförderwohnungen, also gerade die mutmaßlich einkommensschwächsten Mieter, wenig wert. Ihr Mietzins nennt sich Kostenmiete. Der Bund legt alle drei Jahre anhand eines aktuell ermittelten Lebenshaltungsindexes fest, wo die Höchstgrenzen dieser Kostenmie¬ten liegen dürfen. Vorläufig 55 Gagfah-Mie-tern sind nun Schreiben zugestellt worden, in denen ihnen mitgeteilt wurde, dass sich die „Verwaltungs- und Instandhaltungskos¬tenpauschalen geändert" hätten - und zwar bereits zum 1. Januar 2008. Die Forderungen von Gagfah steigen also nicht nur ab sofort, die Mieter sollen auch fürs ganze laufende Jahr nachzahlen, je nach Größe ihrer Woh¬nung bis zu 1000 Euro. Wie viele der 5000 veräußerten Heidenheimer Wohnungen ehe¬malige Sozialförderwohnungen sind, sagt Gagfah mit Sitz in Essen nicht. Einem Mieter, der ankündigte, sich wehren zu wollen, wurde die Kündigung angedroht.

Man hätte den Mietern die neuen Be¬scheide schon früher geschickt, doch leider habe ein sich in die Länge ziehender Squeeze-out von Minderheitsaktionären - zu deutsch: der Zwangsausschluss von Anteilhabern - die Erfassung von EDV-Daten verzö¬gert, sagte ein Gagfah-Sprecher. Im Speziel¬len handelte es sich um die Stadt Frankental, die ebenfalls an der GBH Anteile gehalten hatte und so lange wie möglich von ihrer Sperrminorität Gebrauch gemacht hatte.
Erzürnte Mieter haben sich inzwischen an den Kreismieterverein Heidenheim um Hilfe gewandt, der die Mieterhöhungen der¬zeit von einem Anwalt prüfen lässt. Die vorläufige Empfehlung an die 55 Betroffenen lautet, die Nachforderungen zunächst zu be¬zahlen, doch ausdrücklich unter Vorbehalt. So lasse sich das Geld im Fall eines erfolgrei¬chen Rechtsstreits wieder zurückfordern.

Unterstützung erhält der Mieterverein vom Berliner Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips, der nicht nur in Heidenheim mit Gagfah-Methoden konfrontiert ist. Der Kon¬zern, der nach eigenen Angaben 200000 Wohnungen im Bestand hält, soll Mietern laut Rips im Mai eine „Flatrent" angeboten haben: Wer freiwillig monatlich zehn Euro mehr Miete zahle, bleibe danach in den nächsten beiden Jahren von einer Erhöhung verschont. „Die Heuschrecke zeigt ihr wahres Gesicht", sagte der Berliner Mieterschützer.
So etwas hört man in der Essener Zen¬trale nicht gern. Heidenheimer Mieter, die den neuen Mietzins nachweislich nicht zah¬len könnten, biete man eine Ratenvereinba¬rung an, heißt es. Auch im Fall fristloser Kündigungen zeige Gagfah Herz: Erst wer zweimal nacheinander die neue, höhere Miete nicht gezahlt habe, werde gekündigt.

 

Andreas Stoch MdL

Leni Breymaier MdB

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