Jörg Ehrlinger mit der Willy Brandt Medaille ausgezeichnet

Veröffentlicht am 05.10.2013 in Kreisverband

Jörg Ehrlinger und Andreas Stoch

Einer der großen Sozialdemokraten aus dem Kreis Heidenheim geht in den politischen Ruhestand. Jörg Ehrlinger aus Giengen wurde gestern Abend in der Giengener Stadthalle offiziell durch die Sozialdemokraten aus dem Kreis Heidenheim verabschiedet. Kultusminister und SPD-Kreisvorsitzender Andreas Stoch überreichte die höchste Auszeichnung, die die SPD zu vergeben hat. Die Willy Brandt Medaille.

Mit netten Worten durch Gaby Streicher, die Nachfolgerin von Jörg Ehrlinger als Fraktionsvorsitzende in Giengen, durch Andreas Stoch für den SPD-Kreisverband und durch Willi Häfele, der die Nachfolge von Jörg Ehrlinger in der SPD-Kreistagsfraktion angetreten hat, wurde auf die über 40 Jahre gestaltende politische Tätigkeiten von Jörg Ehrlinger verwiesen.

Zum Schluss der offiziellen Veranstaltung ergriff der Geehrte selbst noch einmal das Wort: Es ist das politische Vermächtnis eines Sozialdemokraten, das nun folgt:

„Liebe Genossinnen und Genossen,
verehrte Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde,

lasst mich die Gelegenheit nutzen zu ein paar grundsätzlichen Gedanken. Wenn man so will ist es ein positives Geständnis.
Warum bin ich Sozialdemokrat geworden und w i e hat mich diese Lebensentscheidung seither begleitet, weil vielleicht auch geformt?

Da gab es einen sicher nicht nur von mir hochverehrten Professor Carlo Schmid. Kein Sozialdemokrat in Sack und Asche, vielmehr einer, der die Menschen, das Leben und den Genuss liebte. E r hat einmal auf einem Parteitag in die aufgewühlte Runde das Wort geworfen:“Unsere Sozialdemokratie ist nicht die Schirmherrin der arbeitsscheuen Stadtalkoholiker. Wir schützen nicht die Faulen, aber wir schützen mit Herz und Hand die Benachteiligten. Wir schützen die, deren Umfeld und Lebensbedingungen schlechter sind als die anderer“.

Und so habe ich mich auch auf den Weg gemacht, meinen Teil dazu beizutragen. Und dies auf einem Feld, wo die Unmittelbarkeit jeder Resonanz auf Leistung und Unvermögen die direkteste, auch die schonungsloseste ist- nämlich auf dem Feld des kommunalen Engagements. Da gibt’s kein Abgehobensein, da gibt’s keinen Promieffekt, da gibt’s nur die persönliche Überzeugungskraft, die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit, mit der Du vor jedem Nachbar bestehen kannst. Und bestehen musst! Und wenn Dir auf dem Wochenmarkt das sozialdemokratische Regierungs- und Oppositionshandeln beim Gemüsekauf vor die Füße geschmissen wird, bist Du plötzlich der alleinige, der einsamste und wohl auch der machtloseste Botschafter Deiner SPD!
Und weiter geht’s. Wenn Du getragen wirst vom Vertrauen der Partei, der Mitbürger oder des Arbeitgebers und in verantwortliche Funktion kommst- keinem wird mehr an Leistung beispielsweise auch im Wirtschaftsleben abverlangt als einem, den man berufen hat, obwohl er Sozialdemokrat ist! Und täuschen wir uns nicht, in den Rängen der gesellschaftlichen Strukturen sind diese Vorbehalte noch längst nicht ausgeräumt.

Und auch im Blick der eigenen Basis muss ein Sozialdemokrat ,wenn er in höhere-und eigentlich von uns auch wünschbare-Verantwortung kommt, nie den Spannnungsbogen vergessen, der zwischen Bodenhaftung und Dienstwagen gekennzeichnet ist.

Niemand urteilt auch da strenger als die eigenen Leute. Du musst also besser sein als andere, aber besser auch b l e i b e n natürlich im wörtlichen Sinne. Es wird- komisch nicht?- bei Dir als Sozialdemokrat stets und überall ein M e h r an Anstand, an Solidarität, an Compassion wie es Willy Brand einmal nannte, vorausgesetzt als bei anderen. Welch riesengroßes Kompliment eigentlich an die moralische Wirkungskraft und Ausstrahlung ,wie sie dann sogar auch Andersdenkende bei uns Sozialdemokraten voraussetzen. Das geht ja soweit, dass wir selbst -so geht es mir immer noch nach 50 Jahren als Sozialdemokrat und vielleicht auch Euch, immer noch fast naiv-unschuldig unbegreiflich ist, wenn am sozialdemokratischen Wegesrand plötzlich Figuren auftauchen, nehmt z.B. den Charakterbolzen Clement, die unsere Werte in den Schmutz treten. Noch immer ist da doch unsere Reaktion:“Wie kann der so etwas tun, der ist doch Sozialdemokrat?“Also wenn man so will- unsere sozialdemokratische Unschuld verlieren wir eigentlich nie. Und das mit diesem höheren Werteanspruch, stets auf der Seite der Schwachen zu sein, macht uns natürlich auch oftmals zumindest schwächer im Ränkespiel auf den verschiedenen Bühnen des Lebens.

Und dennoch gilt trotzdem und unverdrossen mein Credo:
Wer Ungerechtigkeit hasst, m u s s Sozialdemokrat sein!

Und in Solidarität gilt das auch für unsere Schwestern und Brüder im Geiste, sei es bei der AWO, bei den Naturfreunden oder den Gewerkschaften.

N i e vergessen wo man herkommt und wo man hingehört- das ist eine Stärke, die uns manchmal etwas abhandenkommt. Ich habs für mich so entschieden. Ein persönliches Outing mag auch in dem Bekenntnis liegen, dass ich vor einem hochproblematischen, vergangenheitsbeladenen familiären Hintergrund einen besseren Weg bewusst gehen wollte.

Willy Brand hat einmal in seinen „Erinnerungen“ gesagt:“Aus der Geschichte lernen? So es ein Volk tut, geht es ohne Schmerz nicht ab. Aber wie viel Boden ist dabei doch zugewinnen!“ Diesen Satz habe ich mir gut gemerkt, weil, er meine persönliche Situation geradezu intuitiv beschreibt.

So, liebe Freundinnen und Freunde, es verabschiedet sich jetzt ein Genosse der Euch danke sagt für heute und für viele zurückliegende gute Begegnungen. Sie sind auch der Grund, weshalb ich als politisch handelnder Mensch mich verabschiede, aber stets ein politische denkender Mensch bleibe.

Und was sagt man dazu?
Ein bisschen stolz aber zugleich auch bescheiden sagt mans am besten mit Willy Brandt:

„Man hat sich bemüht!“

 

Andreas Stoch MdL

Leni Breymaier MdB

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